

Agilität ist modern, jeder spricht darüber. Wer noch nicht agil ist, will es werden. Viel zu gut klingt das, was wir uns durch Agilität erhoffen: Wettbewerbsvorteil, Innovation, Kostenersparnis und viele andere – mehr oder weniger utopische – Dinge. Dennoch finden wir uns viel häufiger als gedacht in Situationen wieder, in denen diese „Versprechen“ einfach nicht eintreten wollen, obwohl wir doch alles richtig machen.
Neulich hat mir ein guter Freund berichtet, dass er und sein Team weiterhin mit genau den gleichen Problemen kämpfen, wie vor der Umstellung auf die agile Vorgehensweise Scrum. Sie haben viel Mühe, Zeit und Geld für Schulungen, Berater und Coaching investiert. Dennoch klappt es nicht. Solche Geschichten habe ich schon öfters gehört und auch miterlebt. Ist Agilität also ein Fluch oder doch Segen?
Warum Agilität häufig nicht zum Erfolg führt
Schlägt man im Duden das Wort „agil“ nach, findet man folgende Definition: „von großer Beweglichkeit zeugend; regsam und wendig“. Agilität kann demnach als eine Fähigkeit interpretiert werden, die es ermöglicht, sich adäquat und schnell an sich ändernde Bedingungen anzupassen. Passt diese Interpretation zu dem, was wir unter „Agilität“ verstehen?
In der Vergangenheit bin ich einer ganzen Bandbreite an unterschiedlichen Deutungen begegnet, die meist an konkrete Erwartungen geknüpft sind. Hier eine kleine Auswahl:
- „Agilität ist eine Methodensammlung für kontinuierliche Verbesserung“
- „Agilität bedeutet schnelles und häufiges Liefern“
- „Agilität ist ein Mittel zur Fehlerminimierung“
- „Agilität ist die Voraussetzung für Wettbewerbsfähigkeit“
Welcher dieser Aussagen sind treffend und welche nicht? Ich glaube, diese Frage kann man nur im Kontext beantworten, in welchem diese Aussagen getroffen wurden. Genau hier liegt das Problem: Viele glauben, in „Agilität“ die Antwort auf alles gefunden zu haben. Heute, also in einer Zeit des ständigen und schnellen Wandels, wird man leider selten allgemeingültige Antworten auf seine Fragen finden. Somit kann man auch nicht pauschal davon ausgehen, dass Agilität immer zum Erfolg führt.
Was getan werden kann
Damit Agilität eher ein Segen als Fluch wird, sollten wir uns immer wieder bewusst machen, was Agilität eigentlich bedeutet:
Agilität ist eine Fähigkeit, oder sogar eine Denkart, die uns beim schnellen Finden von adäquaten Lösungen in einer komplexen Welt hilft.
Hier ein Hoffnungsschimmer: Diese Denke kann man lernen, auch wenn dieser Lernprozess niemals enden wird. Ich kann von mir nicht behaupten “agil” zu sein, obwohl ich mich seit Jahren mit dem Thema „Agilität“ befasse. So hat sich beispielsweise das Schreiben dieses Blogeintrags mehrere Wochen hingezogen, da ich unbedingt einen sinnvollen und ansprechenden Text verfassen wollte. Ich war nicht bereit, einen halbfertigen Text zu veröffentlichen und frühes Feedback einzuholen. Alles sollte von Anfang an perfekt sein. Lieber später als nie kam die Einsicht, dass ich niemals im Voraus wissen kann, ob dieser Text überhaupt jemals sinnvoll und ansprechend auf jemanden anderen wirken wird. Daher liest du gerade eine unvollständige und verbesserungswürdige Version meines Blogeintrags, die irgendwann überarbeitet werden wird. Vielleicht aber auch nicht.
Das klingt mehr nach „agil“, oder? Also nicht zu wissen, was passiert, aber sich trotzdem auf Neues einzulassen und darauf adäquat zu reagieren. Das Umdenken ist nicht einfach und verlangt uns vieles ab. Daher folgender Gedanke:
Damit Agilität zum Segen wird, sollten wir uns immer wieder auf Neues und Unbekanntes einlassen. Wir sollten uns zwingen unsere Komfortzone zu verlassen und gegebenenfalls den Kurs zu ändern. Wir sollten die damit verbundenen Schwierigkeiten akzeptieren und sich auf die Suche nach passenden Antworten machen. Wir sollten nicht stehen bleiben, sondern immer neugierig weitergehen.
Auf gemeinsame Reise gehen
Für mich ist das Agilwerden eine spannende und herausfordernde Reise. Meine große Hoffnung ist, dass diese Reise niemals endet, denn das bedeutet Stillstand. Stillstand ist meiner Meinung nach die denkbar schlechteste Eigenschaft in einer komplexen Welt wie dieser. Damit wir nicht erschöpft und desillusioniert auf halber Strecke stehen bleiben, sollten wir uns gegenseitig immer wieder neue Denkanstöße und Inspiration geben. Mach dich auf den Weg, teile deine Erfahrungen und werde selbst zum Weggefährten!
Foto von Roberto Ventre, Lizenz Creative Commons 2.0